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Kategorie: Diagnostik | ICD-10
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somatisierungarztbesuch

Die Somatisierungsstörung gehört zur Gruppe der “somatoformen Störungen”, welche im ICD-10* unter F45 kodiert werden.

Die Haupteigenschaft der somatoformen Störung ist das Auftauchen von körperlichen Symptomen, welcher die Person zum Anlass nimmt, Abklärungen medizinischer Art einzufordern. Hinter diesen Forderungen stehen Besorgnis und Angst. Die Forderung nach medizinischer Abklärung bleibt in der Regel auch dann bestehen, obwohl bereits negative Resultate vorliegen, welche die Symptome nicht medizinisch begründen konnten. Patienten sind wegen der Befunde oft irritiert und versuchen Ärzten weitere Untersuchungen zu erreichen. Auf dem Hintergrund ihrer grossen Ängste ist dieses zum Teil affektierte Drängen nachvollziehbar.

Die Somatisierungsstörung ist eine Ausprägung der Klasse von somatoformen Störungen und wird mit F45.0 kodiert. Typisch sind verschiedenartige, meist wiederholt auftretende und auch häufig wechselnde körperliche Symptome, die über die Dauer von mindestens zwei Jahre bestehen bleiben. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die meisten Betroffenen respektive Kranken auch schon Operationen hinter sich haben.

Diagnostische Kriterien

Besonders in der Forschung zu Störungsbildern wird sowohl mit “breiten” wie auch spezifischen Kriterien gearbeitet, welche das Störungsbild umreissen helfen. Im Falle von Somatisierungsstörungen werden unter anderen folgende Kriterien aufgeführt:

A. Es gibt keinen medizinischen Befund, aber der Patient klagt über mindestens zweier Jahre über verschiedenartige, wechselnde körperliche Symptome, die in ihrer Schwere nicht erklärbar sind, auch nicht mit einer allenfalls vorhandenen Krankheit. Vegetative Symptome bilden nicht das Hauptmerkmal der geklagten Störung.

B. Eine ständige Beschäftigung damit ist typisch. Diese Beschäftigung führt zu fortdauerndem Leiden. Bei Fehlen von medizinischen Einrichtungen, die mehrfach aufgesucht werden, herrscht intensive Selbstmedikation vor oder das Aufsuchen von Laienheilern.

C. Die Patienten streiten die Echtheit der negativen Diagnosen ab und akzeptieren nur unzulänglich, dass die Untersuchungen befundlos verlaufen. Es muss eine körperliche Ursache für ihre Beschwerden vorliegen, so zumindest die in ihnen innewohnende, hartnäckige Überzeugung. Ein vorübergehendes Akzeptieren der ärztlichen Erklärungen liegt durchaus drin, entscheidend ist, dass im Anschluss die “alte” somatogene Überzeugung wieder überhand nimmt.

D. Mindestens sechs der unten 14 aufgeführten Symptome sind vorhanden respektive werden von den Patienten berichtet:

1. Bauchschmerzen; 2. Übelkeit; 3. Überblähung (Gefühl von…); 4. extrem belegte Zunge resp. schlechter Geschmack; 5. Klagen über Erbrechen respektive wiederholtes Runterschluckenmüssen von Nahrungsmittel nach spontanem Aufstoss derselben; 6. Klagen über häufigen Durchfall oder Austreten von Flüssigkeit aus dem After; 7. Atemlosigkeit; 8. Brustschmerzen; 9. Miktionshäufigkeit; 10. unangenehme Empfindungen im/um den Genitalbereich; 11. Klagen über ungewöhnlichen vaginalen Ausfluss; 12. Klagen über Veränderungen an der Hautoberfläche; 13. Gliederschmerzen/-Gelenkschmerzen; 14. Taubheit der Glieder oder Kribbeln.

Therapie

Je nach Psychotherapie-Ansatz dürfte mit dem vorgegebenen Störungsbild unterschiedlich gearbeitet werden. In der Personzentrierten Psychotherapie wird das Störungsbild absichtlich nicht medizinisch-diagnostisch ins Zentrum gestellt. Das durch den Klienten erlebte Symptom-Empfinden wird ernst genommen. Durch die personzentriert geprägte Beziehung soll dem Patienten zunehmend die Wahrnehmung erleichtert werden, in welchem Zusammenhang vergangene, aktuelle oder auf die Zukunft verweisende Lebensthemen mit dem Symptomerleben stehen.

Die Hauptschwierigkeit aller psychotherapeutischen Herangehensweise dürfte darin bestehen, dass für den Patienten kein Zusammenhang besteht zwischen seiner Psyche (Erleben und Verhalten) sowie den Symptomen, sondern nur ein Zusammenhang zwischen Körper und Symptomen! Die Inkongruenz, die aus Patientensicht erlebt wird, dürfte deshalb in etwa lauten, dass “ich als Patient” viele Symptome von Krankheit vorzuweisen habe, aber “ich als Patient” muss gleichzeitig die Erfahrung machen, dass nur ich und sonst niemand dies anerkennt. Ein Aspekt des Leidens für den Patienten ist gerade, dass aus seiner Sicht die Ärzte und weiteres Umfeld keine körperlichen Ursachen finden, der Patient aber sehr davon überzeugt ist. Es ist im Falle einer Psychotherapie, falls sich der Patient darauf einlässt, unter Umständen mit einer langen Motivationsphase zu rechnen, während derer der Patient die Psychotherapie und den Sinn derselben in Frage stellen wird.

Literatur

*ICD-10: International Classification of Behavioural and Mental Disorders (Klassifikation psychischer Störungen gemäss WHO – Weltgesundheitsorganisation, Genf). Es gibt eine für Schlafstörungen umfassendere Klassifikation: International Classification fo Sleep Disorders, herausgegeben von der American Sleep Disorders Association, 1990