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Kategorie: Diagnostik | ICD-10
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somatisierungarztbesuch

Einleitung

Wer sich mit Stress oder mit Belastungssituationen auseinander setzt, der fragt sich immer auch persönlich, wie man selber mit belastenden Situationen umgeht. Unter Umständen seufzen Sie sogar laut bei diesem Thema angesichts der realen Belastungen, in denen Sie gerade stecken oder Sie erinnern sich an die eine oder andere Situation. Dieser Artikel möchte einen kleinen Überblick über das Thema mit einem besonderen Seitenblick zu jenen Belastungen bieten, die dauerhaft und nur schwer veränderbar sind.

Die Stressforschung, welche auch in der Schweiz seit Jahren intensiv betrieben wird, hat eine Vielzahl  von verschiedenen Hypothesen und Erklärungsmuster zum Phänomen hervorgebracht. Ursprünglich unterschied man beispielsweise den guten Stress (Eustress genannt) vom schlechten Stress (Distress genannt). So richtig eingebürgert aber hat sich einfach das Wort Stress. Dieser englische Begriff wurde vor mehr als 100 Jahren zum ersten Mal in Zusammenhang mit Tektonik verwendet. Also aus einem Wissensbereich, der sich mit den Erdplattenverschiebungen unserer Kontinente befasst. Stress bezeichnet hier nichts anderes als die verschiedenen Druck- und Ziehbewegungen, denen unsere Böden ausgesetzt sind. Sinnbildlich sind der Druck und die verschiedenen Wirkkräfte, mit denen wir uns im Leben konfrontiert sehen, von diesem naturwissenschaftlichen Gebiet auf das Gebiet der Wissenschaften, die sich mit dem Menschen befassen, übernommen worden.

Besonders „in“ sind gegenwärtig Aussagen zum Thema, die aus der Biologie kommen. Sie versuchen zu erklären, weshalb gewisse Menschen einfacher mit Stress fertig werden und andere sich besonders schwer damit tun. Diese unterschiedlichen Verträglichkeiten haben mit dem Aufbau respektive Abbau verschiedener Botenstoffe und Hormone im Körper zu tun. Jede psychologische Belastung hat auch immer eine biologische Entsprechung im Körper. Bei Belastungen entsteht zum Beispiel ein Überschuss des Hormons Cortisol. Wird dieses vom Körper nicht schnell genug abgebaut, so bleibt ein Belastungsgefühl zurück, obwohl der Stress gar nicht mehr vorhanden ist. Der Abbau eines solchen Hormons hat eine autonome körpereigene Geschwindigkeit.

Nun ist es natürlich für Personen, die unter Umständen langsame biologische Uhren haben sollten, erst recht wichtig, dass sie sich den Stress so gut wie möglich vom Leibe halten. Und Menschen, die gute biologische Voraussetzungen haben, wollen trotzdem nicht blindlings in Stresssituationen hineinrennen und darin verharren, einfach aus purer Begeisterung über ihre biologisch günstige Verträglichkeit…

Stress-Frage nach Lazarus

So gesehen ist es für die einen wie für die andern wichtig, mit Belastungen so umzugehen, dass sie verträglich fürs Gemüt bleiben oder wieder verschwinden. Anhand des psychologischen Stressmodels von Lazarus, eines Psychologen, der 1974 zum ersten Mal dieses berühmteste aller Stress-Modelle präsentierte, lässt sich Stress aus psychologischer Sicht leicht, aber auch sehr umfassend definieren. Für Lazarus ist Stress das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen den Anforderungen einer Situation und der handelnden Person. Die Stress-Frage nach Lazarus lautet deshalb so: Glaubt das Individuum, die Situation kontrollieren zu können? Oder schätzt es die Gefahr der Situation höher ein als die eigenen Kräfte und Handlungsmöglichkeiten? Es geht also immer um eine individuelle Bewertung der Belastungssituation. Die Bedrohlichkeit kann bereits real sein, manchmal reicht aber einfach, dass man vorneweg spürt, es könnte „mühsam“ werden (Antizipation). Je nachdem, wie wir die Situation einschätzen, entwickeln wir spontan einen Umgang damit. Das kann von der simplen Flucht, oder dem Versuch, sofort etwas zu ändern, bis zur Verleugnung des Problems gehen. Dieser spontane Umgang mit der wahrgenommenen Belastung wird Bewältigungsart, oder auf Englisch coping, genannt. Je erfolgreicher die spontane Bewältigung war, desto eher werden wir uns als Personen erleben, die mit dieser Art von Belastung gut umgehen können. Bei Misserfolg werden wir uns unter Umständen hinterfragen müssen. In diesem Konzept ist Stress eigentlich schon fast ein sinnverwandtes Wort für „psychologisches Problem“ ganz allgemein.

Vieles kann so als Stress empfunden werden. Die mangelnde Beleuchtung im Arbeitsraum, Strassenverkehr, Konflikte zwischen Chefin und Mitarbeiterin, eine ungelöste private Situation, welche man an den Arbeitsplatz „mitschleppt“, zu niedriges Einkommen oder Angst um den Arbeitsplatz, zu lange Arbeitszeiten, als schwierig empfundene Kundinnen, mehr oder weniger versteckte Konkurrenz unter Arbeitskollegen, aber auch mangelnde Geduld beim Angehen an die eigene Arbeit sind einige von zahllosen Beispielen aus der Arbeitswelt.

Zwei Arten von Stress

Es ist sinnvoll, zwischen zwei Arten von Stress-Situationen zu unterscheiden. Wie man anhand der paar Beispiele erkennen kann, macht es einen Unterschied, ob es sich um eine Belastung handelt, welche als dauerhaft, somit erdrückend und nur schwer veränderbar empfunden wird, oder ob es sich um einen Stress handelt, von dem man denkt, dass man ihn mit absehbarem Aufwand beikommen kann. Für die eigene Gesundheit sind dauerhafte Belastungen Gift. Dauerhaft sind sie deswegen, weil sie trotz eines Veränderungswunsches nur schwer veränderbar erscheinen. Dauerhaft kann eine Belastung bereits werden, wenn sie sich über mehr als zwei Wochen erstreckt oder zu erstrecken droht. Grundsätzlich ist es aus psychologischer Sicht egal, welche Art von Belastungen ein Mensch als dauerhaft und nur schwer veränderbar erlebt. Entscheidend ist alleine, dass jemand seinen Alltag durch diese Art von Erleben beeinträchtigt fühlt.

Für die eigene psychische Gesundheit gibt es im Umgang mit dauerhaften Belastungen immer nur zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit ist die Veränderung der Realität. Bei zwischenmenschlichen Konflikten beispielsweise sind das meistens Versuche der Beziehungsklärung. Hier geht es oft darum, die persönlichen Grenzen oder auch legitimen Bedürfnisse so aufzuzeigen, dass sie das Gegenüber ernst nimmt. Bei dauerhaften Belastungen ist die Bereitschaft, sich für eine Verbesserung einzusetzen, auch eine Frage der kleinen Schritte und der Geduld. Die massivste Veränderung einer dauerhaft belastenden Situation besteht darin, dass man ihr ein Ende bereitet. Dies erweist sich in der Praxis manchmal als sinnvoller, als dass sich jemand über alle Massen etwas zumutet.

Die andere Möglichkeit liegt nicht im Handeln, sondern in einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Problem. Es kann durchaus sein, dass eine Belastung als schwerwiegend und dauerhaft empfunden wird, in diesem Empfinden aber auch eine Verengung der persönlichen Sichtweise steckt. Dieser Weg beschäftigt sich mit der Wahrnehmung und Bewertung der Situation, also mit der eigenen Person. Wer sich permanent über Staukolonnen aufregt, obwohl für ihn der ÖV aufgrund seines Wohnorts keine Alternative darstellt, der sollte sich dringend mit der Tatsache der Unveränderlichkeit auseinandersetzen. Das ist natürlich ein harmloses Beispiel für mehr Gelassenheit. Unter Umständen gilt ein solcher, durchaus beschwerlicher Weg auch für bedeutsamere Situationen im Leben. Wer eine belastende Einkommenssituation nicht einfach so verändern kann, der wird zumindest versuchen, sich das Leben deswegen nicht völlig verderben zu lassen. Er wird unter Umständen trotz grossen Schwierigkeiten versuchen, die Situation besser anzunehmen.

Hilfreich dabei ist stets das Reden darüber mit einem besonders guten Zuhörer. Als hilfreich haben sich auch bestimmte Übungen wie Entspannung oder andere Techniken erwiesen, wenn eine permanente körperliche Anspannung mit der Belastung einher geht. Beides kann eine neue Herangehensweise an die Situation erleichtern, um sie letztlich trotz Widrigkeiten fürs Erste besser zu akzeptieren. Das hat eine Belastungsreduktion zur Folge. Wer auf diesem Weg eine neue Haltung zum Problem gewinnt, der wird manchmal zur eigenen Überraschung wieder handlungsfähiger. Im einen wie im andern Fall braucht Stressbekämpfung immer auch Entschlossenheit und manchmal sogar eine Portion Mut.

Tipps und Tricks gegen Stress

Wer sich über seine Belastungssituation am Arbeitsplatz ein Bild machen will, ob als Angestellter oder Vorgesetzter, dem kann die Website www.stressnostress.ch  wärmstens empfohlen werden. Es ist ein spannendes interaktives Internetprogramm zu Stressabbau und Stressprävention am Arbeitsplatz, mit vielen interessanten Tipps und Vorschlägen. Es entstand aus einer gross angelegten Zusammenarbeit der ETH, dem Bundesamt seco, der Universitäten Bern und Zürich, der Gesellschaft für Arbeitsmedizin, der suva und der Föderation Schweizer Psychologen (FSP).