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Kategorie: Psychologische Therapie
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Les Greenberg und Sue Johnson haben viel zu problematischen Verhaltensmustern bei Paaren im Zusammenhang mit Emotionen und Bindung geforscht.

Les Greenberg

Les Greenberg (*1945)

Les Greenberg

L. Greenberg ist Prof. für Psychologie in Kanada, Forscher, Praktiker und Autor unzähliger Fachbeiträge zum Thema Emotionen.

Auf Deutsch erschienen:
"Emotionsfokussierte Therapie. Lernen, mit den eigenen Gefühlen umzugehen (2006).

Internet
www.emotionfocusedclinic.org
Wikipedia

Sue Johnson

Sue Johnson (*1947)

SueJohnson
Bekanntestes Buch: "Hold me Tight (2008)" (zoom-link)

Internet
www.drsuejohnson.com
Wikipedia 

Sue Johnson hat zusammen mit Les Greenberg die Emotionsfokussierte Paartherapie begründet (zoom-link).

Carl Rogers

Carl Rogers hat dem Konzept der Empathie in der menschlichen Kommunikation zu einem weltweiten Durchbruch verholfen.

carl rogers 1902-1987

Seine pionierhaften Forschungs- und Publikationstätigkeit seit den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts konnten die Wichtigkeit von Empathie in den gesamten Humanwissenschaften und deren Anwendungsgebiete wissenschaftlich-empirisch belegen (vor allem Psychologie, Psychotherapie, Pädagogik etc.).

Biografie und Personzentrierte Psychotherapie PCA

Einleitung

Im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte sind psychotherapeutische Methoden und Theorien entwickelt worden, die nicht so sehr die Kognitionen und das Denken ins Zentrum stellen, sondern auf der Basis einer Emotionstheorie zu verstehen versuchen, wie Emotionen verändert werden können. Insbesondere dank der Kombination von personzentriertem Ansatz (Carl Rogers) und der Gestalttherapie (Pearls) konnten Autoren, Forscher und Praktiker wie Leslie Greenberg und Sue Johnson Vorgehensweisen entwickeln, die spezifische emotionale Verarbeitungsprobleme aufgreifen und Lösungen zuführen. Weitere wichtige Autoren, mit denen Greenberg gemeinsam publizierte, sind Elliot, Watson und Rice (siehe Literatur-Hinweise und Links unten).

Der folgende Text ist ein Versuch, Übersicht über das Thema zu schaffen. Inhaltlich werden vor allem die wissenschaftlichen Zusammenhänge mit der Einzelpsychotherapie berücksichtigt. Vor allem Greenberg und Johnson haben auch zur Paartherapie sehr wertvolle und eigenständig-mutige Beiträge aus emotionstheoretischer Sicht erarbeitet.

Das psychologische Modell dahinter: Emotionstheorie

Grundlage des Emotionsmodells sind die Affekte, welche allen menschlichen Lebewesen, unabhängig von Kultur und Herkunft, biologisch mitgegeben werden. Die Wissenschaft geht von circa sechs bis sieben Grundaffekten aus, wobei der wissenschaftlich Streit, was zu den Grundemotionen gehört und was nicht, weiterhin kontrovers geführt wird (Stand 2016). Zu den positiven Affekte gehören “Interesse/Neugierde” und “Freude”/Glücksgefühle”. Die negativen Basisaffekte sind “Trauer”, “Wut/Zorn”, “Ekel” und “Angst”. Ausgehend von diesen Grundaffekten entwickeln sich weitere Grundemotionen, insbesondere die “Scham”, der "Stolz" (wichtige Komponente des "Selbstwertgefühls"), "Liebe" etc.

Weiterentwicklungen von diesen Basisaffekten entstehen immer durch die Erfahrung, welche das Kleinkind innerhalb von Beziehungen zu seinen wichtigen Bezugspersonen macht (Interaktionen). Eine Weiterentwicklung dieser Basisaffekte und der dadurch entstandenen emotionalen Schemas entsteht ebenso durch Rückbezüglichkeit. Damit ist gemeint, dass gemachte Erfahrungen, die innerhalb von Interaktionen entstanden sind, durch die Person selber nochmals weiter verarbeitet werden, indem sie innerlich auf das Erlebte Bezug nimmt (Weiterentwicklung durch Selbstbezug oder Reflexivität).

Die Grundaffekte kombiniert mit den interaktionellen Erfahrungen bringen sogenannte emotionale Schemas hervor, welche im Laufe einer Biografie immer zahlreicher werden, zunehmend durch Erfahrung und Erinnerungen angereichert sind und sich ausdifferenzieren. Emotionale Schemas beinhalten unsere emotionalen Reaktionen auf eine Auslösersituation, sie beinhalten Wünsche und Bedürfnisse, die aktiviert werden, und sie beinhalten eine Handlungtendenz (Motivation), welche mit den aktivierten Bedürfnissen in Zusammenhang stehen. Solche emotionalen Schemas sind in der Regel angepasst und “gesund” und integrieren fortlaufend neue Erfahrungen, welche zum bereits erstellten Schema passen. Sie können aber auch Schmerz und Leiden beinhalten, welche ebenso als Erfahrungswerte integriert werden mussten.

Werden Schemas aktiviert, die Schmerz und Leiden beinhalten, so erlebt der Mensch entsprechend Probleme und fühlt sich psychisch unter Druck und unter Anspannung. Es kann dann zu dysfunktionalen Erlebens- und Verhaltensweisen kommen, die je nach Schweregrad behandlungsbedürftig sind (sogenannte psychische Störungen).

Das emotionale Erleben ist die Psyche

Das innere Erleben besteht wesentlich aus der Wahrnehmung von aktivierten Emotionschemas. Das Wort "Emotionsschema" kann insofern in die Irre führen, als damit zu wenig deutlich ausgedrückt wird, dass Kognitionen (Bewertungen und Erwartungen), Motivationen (Handlungstendenzen) und Bedürfnisse mitgemeint sind. Da aber die affektive Tönung oder eben der emotionale Gehalt sich auch mit der Kognition, der Motivation oder dem Bedürfnis verknüpft, macht es Sinn, das ganze aktivierte Schema  "Emotionsschema" zu nennen. Die Art der Kognition, die Art des Bedürfnisses oder auch die Art der Motivation wird durch die Person jeweils an seinem emotionalen Gehalt erkannt und als solches identifiziert (innere Warhnehmung).

Die innere Wahrnehmung der aktivierten Schemas wird durch die Selbstorganisation (operatives Selbst) gewährleistet. Wieviel vom emotionalen Erleben der Person gewahr werden kann, hängt wiederum vom Selbstkonzept ab. Das Selbstkonzept ist quasi das Steuerungsorgan des operativen Selbst. Das Selbstkonzept ist geprägt von Sprache, den Erinnerungen, den Denk- oder kognitiven Schematas und kulturellen “Angeboten” an Wahrnehmung und Erklärung. Es ist aber auch von seiner “Fähigkeit” abhängig, auf das Erleben, das das operative Selbst bereitstellt, zurückgreifen zu können, ohne an Abwehrmechanismen zu scheitern (condition of worth). Was am Schluss von der Person tatsächlich artikuliert wird, sowohl gegenüber sich selber wie auch gegenüber der Mitwelt, ist also nur ein (kleiner) Teil dessen, was an emotionalem komplexen Erleben vorhanden ist. Aber es ist in der Regel immer soviel “gefiltertes Erleben” vorhanden, dass eine Reaktion von der Person selber erfahren werden kann, und es ist immer auch soviel, dass gegenüber der Mitwelt eine Erfahrung (Reaktion) artikuliert wird. Die nach aussen artikulierte Reaktion kann natürlich beträchtlich differieren von der tatsächlich erfahrenen inneren Reaktion. Was nach aussen artikuliert wird, hängt wie gesagt stark vom Selbstkonzept ab.

Emotionen entstehen durch eine “automatische”, mehr oder weniger vorbewusste Bewertung von Situationen, welche die Person in Zusammenhang bringt mit den Bedürfnissen und Zielen, die sie im Moment der Situationswahrnehmung verspürt. Emotionen sind weder rational noch irrational, sie sind einfach jeweils der Situation angepasst oder können auch als nicht angepasst empfunden werden, und zwar sowohl von der Person selber, die die Emotion erlebt wie auch von der Mitwelt, die die Emotion aufgrund von Nachempfindung sekundenschnell nachzuvollziehen hat, damit der Kontakt zwischen Person und Mitwelt aufrecht erhalten bleibt. Der "materielle" Entstehungsprozess ist eigentlich ein neurologischer, stark mit dem lymbischen System (Amigdala) verknüpft.

Gemäss Prinz J. (2004) entstehen Emotionen erster Ordnung aus physiologischen Veränderung des Körpers, die dem Wahrnehmenden Informationen liefern über das unmittelbare Verhältnis des Individuums zu seiner Umwelt. Diese physiologischen Veränderungen betreffen viszerale Veränderungen wie Herzfrequenz, Atmung, Muskelanspannung, Schwitzen etc. bis zu Hormonausschüttungen und Neurotransmitterübertragungen. Wenn ein Körper eine Veränderung von "wenig Muskelanspannung" zu "mehr Muskelanspannung" erfährt aufgrund einer (körperlich) verspürten Veränderung des Umfelds, dann bildet sich diese physiologische Veränderung im Hirn schliesslich als Emotion ab.

Psychotherapeutische Interaktionen zur Veränderung: Interaktionstheorie oder Interventionstherorie

Greenberg identifiziert im gegenwärtigen Stand der Forschung sechs verschiedene grundlegende Prozesse, welche Emotionen verändern helfen oder verändern können. Diese sechs Prozesse kann man in drei Kategorien unterteilen.

Erste Kategorie: Zur Emotion Zugang finden

1. Intensität erhöhen: Wenn man beispielsweise die Intensität erhöhen kann, mit welcher eine Person die Emotion im Kontext einer bedeutsamen persönlichen Erzählung erlebt, so kann durch die Erhöhung der Intensität alleine die Emotion eine Veränderung erfahren. Die Veränderung gelingt in der Regel deshalb, weil nur durch eine erhöhte Intensität überhaupt die ganze Emotion, auch deren eher vorbewussten Teile, erfahren werden kann.

2. Emotion ausdrücken: Wenn die Emotion zum Ausdruck kommt, in der Regel durch geeignete Verbalisierung oder eine andere Symbolisierung, dann kann eine Veränderung dieser Emotion erfahren werden. Diese Art der Veränderung gelingt, weil bisher die Emotion nur intrapsychisch erlebt wird, aber noch in keiner Weise bewusst ausgedrückt wurde. Sie wurde zum Beispiel bisher noch nicht vor einem Mitmenschen erlebt und mit ihm geteilt. Dies reichert die Emotionen in der Regel mit neuem Erleben an.

Zweite Kategorie: Die Emotion modulieren respektive regulieren

3. Emotion regulieren: Wenn man die Emotion bewusst “reguliert”, dann kann eine Veränderung derselben möglich sein. Zum Beispiel werden Atmungsübungen explizit parallel eingeführt. Dadurch wird die Emotion rereguliert. Es können auch Visualisierungen, die bewusst parallel zur Emotion eingeschaltet werden, benutzt werden. Dazu gibt es viele psychotherapeutische “Übungen”, gerade auch aus der experienziellen Tradition (Focusing, aber auch kognitiv-verhaltenstherapeutische Übungen).

4. Emotion spiegeln: Wenn Emotionen empathisch korrekt gespiegelt werden (im Rogerianischen Sinne), so können mächtige Emotionsveränderungen erfahren werden. Es entsteht in der Regel eine neue Sinngebung, Einsicht und eine neue “narrative Konstruktion” der Wirklichkeit. Das heisst, die Person erzählt nach gelungener empathisch-personzentrierter Therapie-Session die gleiche Geschichte anders als vorher.

Dritte Kategorie: Die (schmerzhafte) Emotion (gezielt) verändern

5. Emotionen durch Emotionen verändern: Emotionen können am besten mit Emotionen verändert werden: “Change Emotion with Emotion” heisst hier das Leitwort. Hier werden vor allem schmerzhafte Emotionen zugespitzt angegangen, um mit ihnen bewusst zu arbeiten. Gute Techniken dafür kommen aus der Gestalttherapie (Zwei-Stühle-Technik). Emotionen beinhalten immer verschiedene Teile. Es werden die “Einzelteile” einander gegenüber gestellt und in einen Dialog gebracht. Dieser “Dialog” ist eigentlich ein Dialog, wie er genau in der Person selber abläuft, aber kaum auf eine bewusste Art. Der innere Dialog wird nach aussen gestülpt, und es entstehen dann in der Konfrontation dieser Emotionsanteile neue Emotionen. In der Regel sind es Synthesen dieser Anteile. Meistens läuft es auf eine Harmonisierung, auf eine Versöhnung unversöhnlicher Anteile und auf mehr Selbst-Verständnis hinaus.

6. Emotionen durch Begegnung verändern: Emotionen können letztlich auch durch neue interpersonale Erfahrungen verändert werden. Es sind Korrektur-Erfahrungen, die von der Person integriert werden können, weil ein Anderer über seine Art der Emotion echt und ehrlich Auskunft und sie adäquat in der Beziehung ausdrückt. Dies kann die eigene Emotion relativieren und erweitern, somit verändern.

In der Emotionsfokussierten Therapie nach Greenberg wird vor allem versucht, innerhalb der dritten Kategorie zu arbeiten und dem Klienten oder Patienten emotionsfokussierte Veränderungsangebote zu machen, die gezielt die schmerzhaften Emotionen angehen. Dabei wird mittels des empathisch-rogerianischen Verstehens versucht, innerhalb der sogenannten “Narrative”, also der Schilderung des Klienten, herauszuhören, ob bestimmte Indikatoren darin vorkommen, welche dem Therapeuten einen Hinweis geben, wie er mit den Emotionen gezielt umgehen soll. Diese Emotionen sind in der Regel schmerzhaft. Greenberg nennt sie “maladaptive emotional schemes”. Sie stellen für den Klienten das entscheidende psychische Problem dar. Diese Hinweise nennen Greenberg et al. auf Englisch “marker”, also Wegmarken. Je nach identifizierter Wegmarke wird dann ein Bearbeitungsangebot gemacht. Greenberg et al. hat gemäss dem aktuellen Stand der Forschung etwa sechs solche Marker und entsprechende Bearbeitungsangebote herausgearbeitet (siehe Literaturhinweise).

Die therapeutische Interaktion aufgrund eines identifizierten Markers wählen

Greenberg, Rice und Elliot haben eine ganze Reihe von emotionalen Problematiken identifiziert und klassifiziert. Klienten versuchen, diese emotionalen Probleme zu lösen, sie stellen sich diesen wie Aufgaben, haben aber das Gefühl, daran zu scheitern. Greenberg et al. haben bisher insgesamt sechs verschiedene "Marker" identifizieren können, an denen Bewältigungs- und Verarbeitungs- versuche erkannt werden können. Wird ein solcher "Marker" identifiziert, so wird dieser als entscheidender Hinweis für den Thera- peuten verstanden, wie er am effektivsten mit dem emotionalen Verarbeitungsproblem umgehen soll. Daraus entstehen konkrete Vorschläge des Therapeuten, wie er dem Klienten helfen könnte. Greenberg et al. betonen, dass ein solcher "emotionaler Marker" nur durch korrekt angewendete personzentrierte Empathie im Rogerianischen Sinne erkannt werden kann. Wissenschaftlich-empirische Studien im evidenzempirischen Sinne haben belegen können, dass diese Interventionsformen als sehr effektiv zu gelten haben. In der Folge werden sechs emotionalen Grundproblematiken kurz benannt:

Verschiedene Marker des "emotion processing" - Beispiele

Vulnerabilität (1)

Wird ein Marker für emotionale Vulnerabilität durch den Therapeuten wahrgenommen, dann hat die Behandlung derselben Vorrang vor allem andern. Die emotionale Vulnerabilität soll nicht exploriert werden, sondern einfach durch den Therapeuten anerkannt, "gesehen" werden und als "Gesehene" und "Erkannte" dem Klienten kommunikativ-empathisch in der Beziehung mitgeteilt werden. Vulnerabiltätsmarker sind zum Beispiel, dass ein Klient am liebsten nichts mehr sagen möchte, dass er verstummt, dass er anfängt, still zu weinen oder non-verbale Zeichen von Bestürzung, Kränkung oder versuchter Verschlossenheit von sich gibt, als ob er sagen wolle: Bitte hier nicht weiter, es tut gerade sehr weh! Hier muss behutsam darauf eingegangen werden. Explorationen an den Rand des Gewahrwerdens sollten vermieden werden. Ziel soll sein, durch die geteilte oder durch den Therapeuten vorgelebte Anerkennung der Verletzlichkeit zu erleichtern, dass der Klient sich derselben mit weniger Angst zuwenden kann. Er kann so abwehrfreier auf die Verletzlichkeit eingehen und deren Hintergründe, Auslöser etc. in der Beziehung zum Therapeuten aussprechen.

Systematisch-evozierendes Entfalten von problematischen Reaktionen (2)

Wer hat nicht auch schon erlebt, dass bestimmte Situationen (oder Aspekte davon) starke Reaktionen in einem selber auslösen können, ohne dass man im Nachhinein versteht, weshalb man heftig mit Rückzug, Ärger und Wut oder Angst (etc.) reagiert hat. Wenn Klienten von solchen Reaktionen berichten und dabei betonen, dass sie sie nicht verstehen würden, aber die Reaktion spontan in einem Zusammenhang mit sich selber sehen , dann können die auslösenden Situationen neu evoziert werden und Punkt für Punkt durchgegangen, auseinander gefaltet werden. Einmal von der Aussenseite her (Stimulus-Seite quasi) und einmal von der Innenseite her. Dieses Auseinanderfalten, wenn es gelingt, verschafft der Person neue Einsichten über grundsätzlich problematische, Leiden schaffende Reaktionen seines Selbst.

Somatisch empfundenes Problemerleben (3)

Dieser Marker ist nichts anderes als ein Hinweis für den Therapeuten, mit Gene Gendlins Focusing weiterzumachen.

Drei verschiedene Konfliktspaltungen (4-6)

Eine oft anzutreffende Konfliktspaltung ist jene, bei der der Klient zwei emotionale Hauptschemas gleichzeitig aktiviert hat. Das eine Schema beinhaltet tendenziell eher Sollensforderungen und Selbstzwänge, häufig emotional durch Angst und wenig Einfühlung geprägt. Auf der andern Seite steht ein Schema gegenüber, das eher die Bedürfnisseite (Ziele, Anliegen etc.) beinhaltet. Diese Doppel-Aktivierung führt zum Konflikterleben mit einem in der Regel grossen impliziten Anteil an Erleben auf beiden emotional aktivierten Seiten.

Zum Beispiel: Ein Thema wie "Mutter am Sonntag besuchen gehen" löst in der Person verschiedene emotionale Schemas aus, jedes mit seiner Handlungstendenz, seinem Bedürfnis, seiner affektiven Tonalität und seinen Bewertungen und Erwartungen (Kognitionen). Diese unterschiedlichen, im Widerspruch zueinander stehenden emotionalen Schemas können mittels gestalt- therapeutischer Zwei-Stuhl-Technik verdeutlicht werden. Der Klient redet einmal laut aus einer Emotion heraus ("sollte hingehen") und imaginiert sich den andern Teil auf dem leeren Stuhl gegenüber ("will nicht hingehen").  Anschliessend wird der Dialog fortgesetzt, aber vom andern Stuhl aus und aus dem andern emotionalen Schema heraus. Diese Explizierung dessen, was an "innerem Dialog" oder "inneren Stimmen" in der Person vorhanden ist, führt in der Regel zu einer Konfliktentschärfung, fördert das Entstehen eines neuen, dritten Schemas, das als Synthese aufgefasst werden kann. Es können zu Beginn aber einfach auch nur "positive Brücken" zwischen den zwei aktivierten Schemas entstehen, so dass ein verständnisvollerer Selbstbezug möglich wird.

Weitere Konfliktspaltungen sind jene des "Unterbrechers", welche Emotionen quasi-physisch am Erleben hindern (passiver und aktiver Erlebensteil) sowie die sogenannten "unerledigten Angelegenheiten" ("unfinished business") oder "unerledigtes Erleben", welches der Klient aus früheren Beziehungen mit bedeutsamen Personen unverarbeitet, aber abgewehrt "mit sich trägt". Unerledigtes kann ebenso durch die Zwei-Stuhl-Technik respektive durch die "leere-Stuhl-Technik" besser verarbeitet werden, in dem der ganze emotionale Prozess, welcher in der Vergangenheit nicht abgeschlossen werden konnte, nochmals aufgenommen und ausgedrückt werden kann. So können z.B. Versöhnungen mit nicht mehr Wiedergutzumachendem ermöglicht werden oder Vergangenes, das in der Aktualität immer wieder Leiden schafft, kann als solches endlich ins Selbst aufgenommen werden, ohne ständig Abwehr zu erzeugen (und somit Spannungen und psychische Störungen verursachend).

Personzentrierte Psychotherapie und Emotionsfokussierte Psychotherapie

Die EFT gehört zum humanistisch-experienziellen Ansatz, wobei innerhalb der Personzentrierten Psychotherapie-Gemeinschaft (PCA) Unklarheit bestehen dürfte, wie der PCA zu Greenbergs Ansatz steht. Die Antworten dürften je nach Standpunkt ungleich ausfallen. Auch die Gestalttherapeuten dürften sich Fragen stellen, in welchem Masse die EFT sie herausfordert und ergänzt respektive theoretische Schwierigkeiten bezüglich Akzeptanz verschafft. In dem Masse, in dem das Erleben des Klienten ins Zentrum gestellt wird, das möglichst frei von Hintergrundtheorie empathisch begleitet werden soll, ist jede (therapeutische) Begegnung im wahrsten Sinne humanistisch-experienziell. Sobald es aber um Bearbeitungsangebote geht, entsteht aus “rogerianischer" Sicht ein Problem.

Bearbeitungsangebote können gerade den experienziellen Prozess, der möglichst frei ablaufen soll, auch zum Stocken bringen. Der frei ablaufende, nicht zielgerichtete experienzielle Prozess, in dem sowohl der Klient (als Bedürfnis) wie auch der Therapeut (als Bereitschaft) offen für persönliche Veränderungen sind, soll idealtypisch zur Heilung verhelfen. Freilich ist das Ziel von Bearbeitungsangeboten genau das Gegenteil als das Blockieren von emotionalen Prozessen. Das Ziel ist gerade das Deblockieren, Erleichtern und Ermöglichen von Verarbeitung.

Es bleibt aber die Frage offen, wie mit der Situation umgegangen werden soll, wenn der freie experienzielle Prozess gerade in der Person selber blockiert ist. Es bleibt zudem die Frage offen, wie mit Personen umgegangen werden soll, die die schmerzhaften Emotionen um jeden Preis vermeiden, gleichzeitig aber um jeden Preis sich wünschen, dass diese schmerzhaften Emotionen endlich verändert werden. Selbstverständlich ist damit ein rein personzentrierter Umgang möglich. Die Erfahrung zeigt aber, dass Therapie-Fortschritte auf sich warten lassen respektive das Leiden verlängern, wenn der Therapeut die Selbstgesteuertheit des Klienten in einer dogmatischen Art und Weise handhabt (Prinzip der Non-Direktivität).

Es scheint ein zumindest akademischer Widerspruch zu bestehen, den es aufzulösen nicht gelingen dürfte. Es muss den (psychologischen) Psychotherapeuten überlassen werden, welche Ziele und "mentalen Landkarten" sie mit sich führen, um Interaktionsvorstellungen gegenüber konkreten Klienten (als hilfreiches Angebot) umzusetzen. Dabei scheinen mir Widersprüche zwischen solchen Vorstellungen als letztlich zwingend und unvermeidbar.

Die EFT hat für sich bereits Position bezogen und fasst sich als eigenständiger Ansatz auf, mit einem eigenständigen Psychopathologie-Modell, eigener Interaktionsstrategie (Praxeologie) und eigenem Verständnis von "gesundem psychischen Funktionieren". Es wäre sehr zu begrüssen, wenn die Verbundenheit des EFT mit dem Personzentrierten Ansatz und den humanistischen Ansätzen im Allgemeinen weiterhin stark bleibt.

Literaturhinweise

Greenberg, L.S., Rice, L. N., & Elliott , R. (1993). Facilitating emotional change: The moment by moment process. New York: The Guilford Press.

Elliott, R., Watson, J.C., Goldman, R.N. & Greenberg, L.S. (2004/2007): Praxishandbuch der Emotionsfokussierten Therapie. München: CIP-Medien. - Standardwerk, ein idealer Einstieg in EFT.

Greenberg, L.S. (2005). Emotionszentrierte Therapie: Ein Überblick. In: Psychotherapeutenjournal, 4, 324-. 337. - Überblicksartikel

Leslie S. Greenberg, Rhonda N. Goldman (2008): The Dynamics of Emotion, Love, and Power. American Psychological Association.

Prinz Jesse J. (2004): Gut Reactions. A Perceptual Theory of Emotion. Oxford University Press

Bradley, B., Furrow J. (2013). Emotionally Focused Couple Therapy For Dummies. John Wiley & Sons Canada, Ldt

www.emotionsfokussiertetherapie.ch

www.emotions-fokussierte-therapie.de

www.emotionfocusedtherapy.org