Logo Praxis Frank Margulies - Psychotherapie Zürich Fachpsychologe für Psychotherapie - Psychotherapeuten FSP

 

 

Fachartikel zu Psychologie

Praxis-Website

 

shutterstock 2415701711 resized
attachmentErstveröffentlichung  auf www.paaruebungen.com (©)

Ursprung der Bindungstheorie und des Konzepts "Bindungsstile"

In den 1950er Jahren haben zwei Psychologen, John Bowlby und Mary Ainsworth (zoom-link), durch Mutter-Kind-Experimente festgestellt, dass Kleinkinder drei typische Reaktionsmuster zeigen, wenn die Mutter zu ihrem Kleinkind zurück kehrt, nachdem sie für eine gewisse Zeit ausser Sicht- und Reichweite blieb.

Gewisse Kinder lassen sich während der Abwesenheit der Mutter relativ leicht beruhigen. Sie suchen die Nähe zur Mutter, wenn sie wieder auftaucht. Sie fühlen sich schnell sicher.

Eine zweite Gruppe von Kindern scheint die Abwesenheit der Mutter kaum zu bemerken und braucht wenig Beruhigung in der Zwischenzeit. Wenn die Mutter wieder in den Raum zurückkommt, so ignorieren diese Kinder die Mutter fast ein bisschen. Sie vermeiden die sofortige Nähe und verbergen die Unsicherheit.

Eine dritte Gruppe ist beunruhigt, sobald die Mutter weg ist und lässt sich durch eine andere erwachsene Person während der Abwesenheit der Mutter kaum beruhigen. Wenn die Mutter zurückkommt, so bleiben diese Kinder unruhig und relativ lange schreiend. Diese Kinder reagieren ängstlich-unsicher.

Aus diesem Experiment, das in der Folgezeit unzählige Male mit Tausenden von Kleinkindern in der ganzen Welt (!) wiederholt wurde, entstand eine gute Datengrundlage für die von Bolwby und Ainsworth formulierte Bindungstheorie und die Bindungsstile.

Im Menschen existiert ein angeborener Mechanismus, der das Bindungsverhalten steuert. Dabei gibt es verschiedene Ausprägungen: die sogenannten Bindungsstile. Die Ausprägung hängt unter anderem vom Beziehungsangebot zwischen Fürsorgepersonen und dem Kleinkind ab. Je nachdem kann sich ein sicherer oder eher unsicherer Bindungsstil entwickeln.

Drei Bindungsstile im Erwachsenenalter: Sicher, vermeidend-unsicher oder ängstlich-unsicher

Bowlby und Ainsworth unterschieden bei Ihren Mutter-Kind-Experimenten zwischen drei Bindungsstilen: dem sicheren Bindungsstil, dem unsicher vermeidenden und dem unsicher ambivalenten Bindungsstil.

In den späteren 80er Jahren kam durch die Forschung von Mary Main noch ein vierter Bindungsstil dazu: Mary Main nannte diesen Stil den "desorganisierten Bindungsstil".

Normalerweise wird aber im Zusammenhang mit Erwachsenen vor allem vom sicheren, ängstlichen und vermeidenden Bindungsstil gesprochen (zoom-link).

Den Bindungsstil, den wir in der Kindheit entwickeln, behalten wir als "psychisches" Erbe im Erwachsenenalter bei, auch wenn es aufgrund von späteren Erfahrungen zu Bindungsstilveränderungen kommen kann. Das "working model" unseres Bindungsverhalten bleibt aber im Kern meistens als Prototyp erhalten (zoom-link).

Gute Matches - Schlechte Matches aus Sicht der Bindungstheorie

Aufgrund der Bindungstheorie ist es möglich vorauszusagen, welche Paarungen zwischen Erwachsenen (matches) grössere respektive welche weniger Probleme mit sich bringen. Wenn zwei Erwachsene sich kennenlernen und ein Paar bilden, dann  "begegnen" sich auch immer zwei Bindungsstile. Folgende Bindungsstile passen relativ gut zueinander, in abnehmender Reihenfolge:

  • sicher + sicher
  • sicher + ängstlich
  • sicher + vermeidend
  • ängstlich + ängstlich

Ängstlich + ängstlich kann aufgrund der hohen Anspannung, die beide aufgrund ihres Bindungsstiles in der Beziehung erleben, bereits ziemlich problematisch sein. In der Regel führt das zu einer fast symbiotischen Beziehung, die aber durchaus funktionieren kann. Mit einem Partner zusammen zu sein, der stark vermeidend ist, ist auch für einen "sicheren" Partner eine grosse Herausforderung und wahrscheinlich unbefriedigend...

Folgende "Paarungen" sind aus der Sicht der Bindungstheorie schwierig und benötigen Veränderungen im Verhalten der Partner, damit die Bindung überhaupt funktioniert:

  • ängstlich + vermeidend
  • vermeidend + vermeidend

Bindungsstile sind nicht in Stein gemeisselt - Wechsel möglich

Bei den Erwachsenen ist es aber so, dass das psychologische Erbe aus der Kindheit aufgrund späterer Erfahrungen durchaus auch verändert werden kann, auch wenn das "Arbeitsmodel" (working model) im Kern meist unveränderbar bleibt. Das heisst, wer als Kind eher vermeidend war, kann das zugunsten eines sicheren Bindungsstils bis zu einem gewissen Grad wieder verändern. Was für den vermeidenden Stil gilt, gilt auch für den ängstlichen Bindungsstil. Auch er kann zugunsten eines sichereren Bindungsstils verändert werden, und zwar ist das für ursprünglich ängstliche Personen sogar in der Regel einfacher als bei ursprünglich vermeidenden Personen. Aber es kann sich auch zum Schlechteren entwickeln! Ein Mensch, der aufgrund seiner Kindheit einen sicheren Bindungsstil mitbekommen hat, kann aufgrund späterer Beziehungserfahrungen auf einmal vermeidend oder ängstlicher werden als er (oder sie) ursprünglich war.

Statistische Verteilung der Bindungsstile

Die grosse Datenmenge zu diesem Thema erlaubte es den Forschern, Schätzungen zu machen, wie die drei Bindungsstile in der erwachsenen Bevölkerung etwa verteilt sein könnten. So schreiben Levine und Heller, dass etwa die Hälfte der erwachsenen Personen einen sicheren Bindungsstil haben, ungefähr 25% sind vermeidend und etwa 20 % ängstlich. Die restlichen 5% bilden eine Mischung aus ängstlich und vermeidend (zoom-link)

 

 


 

showcaseblog

Blog Praxis Margulies
- Praxis Telefon 043 317 19 38