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Fachartikel zu Psychologie

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Gemäss der Emotionsfokussierten Psychotherapie (EFT, Greenberg, Rice, Elliott, Johnson etc) organisieren Emotionen die affektive unmittelbare Reaktion und die Gefühle (körperlich empfundene Erlebenseineinheiten) in eine bedeutsame Gesamterfahrung. Die Emotion besteht also aus diesen zwei Teilen (Affekt und Gefühl) und hat ein Resultat, nämlich eine Information an uns selber.

Die Emotion ist also eine Information an uns selber in Form einer Bedeutung. Die Bedeutung ist ein ganzes Informationspacket, das zusätzlich zum Gefühl und dem Affekt auch einen Auslöser umschliesst. Die Bedeutung besteht aus einem Bedürfnis oder einem Wunsch und beinhaltet eine Handlungstendenz.

Emotionen informieren uns somit, was gut für uns ist und was schlecht, was wir brauchen und was uns fehlt, ob wir bleiben sollen, näher heran gehen sollen oder weggehen möchten und Distanz schaffen wollen. Sie informieren uns, welche Präferenz wir gerade haben und was wir eher ablehnen, ob wir eigentlich Freude haben oder Trauer, Scham oder Stolz, Schuld oder Wertschätzung empfinden, einsam sind und deshalb Verbindung mit jemandem aufnehmen möchten oder uns ausreichend warm und aufgehoben fühlen. Um die Bedeutung von Emotionen zu erkennen, braucht es Reflektionsfähigkeit und Bewusstsein.

Die Emotionsfokssierte Psychotherapie hat die Unterscheidung in primäre, sekundäre und instrumentelle Emotionen eingeführt. Grundsätzlich können alle Emotionen sowohl primär, sekundär oder auch instrumentell sein. Die Begriffe "primär, sekundär und instrumentell" weisen auf die unterschiedliche Funktion hin, die eine Emotion haben kann.

Primäre adaptive Emotionen

Das sind die eigentlichen guten und wichtigen emotionalen Informationen an uns selber. Es sind unmittelbare emotionale innere Antworten auf Situationen, in denen wir uns gerade befinden. Obwohl sie unmittelbare innere Antworten sind, sind sie vielen Menschen nicht einfach so zugänglich und werden oftmals nicht richtig wahrgenommen. Trotz der Unmittelbarkeit braucht es nämlich eine gewisse Ruhe und eine gewisse Introspektion, um sie zu erkennen, richtig wahrzunehmen und dann auch auszudrücken und unter Umständen danach zu handeln. Primäre Emotionen sind meist weiche Emotionen, sie können nur durch eine "reine" Innensicht, ohne dass äussere Umstände oder Personen berücksichtigt werden, wahrgenommen werden. Aufgrund dieser reinen Innensicht gehen sie immer mit einer Verletzlichkeit einher. Das gilt sowohl für positive wie auch für negative primäre Emotionen. Traurigkeit, Unsicherheit, Angst, Verletzungen, Scham, Schuld, Freude, Glücksgefühle, Überraschung, Humor, Zärtlichkeitsgefühle, Verwirrung, emotionale Verletzung, Hoffnungslosigkeit... Das alles und noch einige mehr können primäre Emotionen sein, aber auch sekundäre oder unter Umständen auch instrumentelle. Der emotionale Inhalt ist wie bereits oben ausgeführt nicht entscheidend, um festzustellen, ob es sich um eine primäre oder sekundäre Emotion handelt. Allein die Funktion ist das dafür entscheidende Kriterium.

Die Funktion von primären Emotionen

Primäre Emotionen signalisieren uns, was wirklich für uns wichtig ist im Moment, wie wir ein bestimmtes (Lebens-) Thema zurzeit wirklich empfinden. Es sind die authentischen Emotionen mit dem wirklich wichtigen Informationsgehalt. Primäre Emotionen wahrnehmen und gegebenenfalls auch ausdrücken zu können ist eine echte psychologische Ressource. Wer zum Beispiel Achtsamkeitsübungen macht, der beschäftigt sich im Kern mit den primären Emotionen und den Bedeutungen, die sie für das eigene Leben haben. In der Focusing-Technik nach E. Gendlin sind primäre Emotionen das, was Gendlin "felt sense" und "shift" genannt hat. Überspitzt ausgedrückt könnte man sagen, dass jemand die meiste Zeit des Tages wirklich sich selber ist, sollte es ihm gelingen, stets nach seinen primären Emotionen zu fühlen und zu handeln.

  • Primäre Emotionen voll wahrzunehmen und auch auszudrücken tut gut und führt zu einem neuen frischeren Grundgefühl, auch dann, wenn es sich um Traurigkeit oder Angst als primäre Emotion handeln sollte.
  • Primäre Emotionen sind immer auch verbunden mit Verletzlichkeit und werden von "innen heraus" ausgedrückt. Der Ausdruck passt sich nicht den äusseren Umständen an. Es ist ein nach Aussenkehren dessen, was tatsächlich "innen drin" ist.
  • Primäre Emotionen auszudrücken lösen beim Gegenüber in der Regel Verständnis und ein gewisses Mass an echter Beteiligung und Mitgefühl aus, auch wenn es sich um (gesunde) Wut handeln sollte, die man gegenüber einer Person ausdrückt. Wut als primäre Emotion ist zum Beispiel notwendig, um Grenzen wieder herzustellen, um ein legitimes Bedürfnis, das ignoriert wird, endlich anzumelden oder um sich selber vor Selbstaufgabe und zuviel Resignation zu bewahren.
  • Primäre (adaptive) Emotionen informieren uns darüber, was wir wirklich tun sollten, was wir wirklich am meisten jetzt brauchen könnten (oder uns wirklich fehlt).
  • Sie leiten uns zu sinnvollen Handlungen an, die stimmig zu unserem Leben passen (auch wenn das unter Umständen unseren Mitmenschen gerade nicht so passt)
  • Primäre Emotionen werden, nach erfolgter Reflexion, von allen irgendwie akzeptiert und verstanden (auch wenn man eventuell jemanden deswegen enttäuscht).
  • Das Ausdrücken und Umsetzen von primären Emotionen führt immer zu einer stimmigeren Fortsetzung des eigenen Lebens. Sie führen zu Entscheidungen, die man selber tief drinnen akzeptiert, auch wenn das Resultat der entsprechenden Entscheidung unter Umständen dann doch nicht so "optimal" herauskommen sollte.

 

Um zur primären Emotionen zu gelangen kann es helfen, sich auf die körperlichen Empfindungen zu konzentrieren. Wo fühle ich etwas? Im Hals, im Bauch, Schultern? Ist es heiss, kalt, schmerzt es mir im Herz? Diese körperlichen Empfindungen (die Gefühle) sind das Sprungbrett, die gesamte primäre Emotion und deren Bedeutung zu erkennen.

Das Vorhandensein von primären Emotionen können wir auch am Auftauchen von Strategien erkennen, mit denen wir die primären Emotionen vom Bewusstsein aussperren, vor allem wenn es sich um negative primäre Emotionen handelt.

  • Wir zwingen uns beispielsweise, an etwas anderes zu denken.
  • Wir werden irritiert und ärgerlich und suchen jemanden, den wir kritisieren können (wir nehmen nur die sekundäre Emotion wahr, siehe unten).
  • Wir versuchen uns abzulenken.
  • Wir verniedlichen die Bedeutung des Gefühlten, um es nicht wahrnehmen zu müssen (verzerrte Wahrnehmung, Verleugnung, Verdrängung).
  • Wir versuchen uns (künstlich) aufzuheitern und wieder fröhlich zu stimmen.
  • Wir fangen an Gründe zu suchen, weshalb wir uns nicht so fühlen sollten (Rationalisierungen).
  • Betäubungen: Wir machen eine Flasche Wein auf, kiffen, nehmen Tabletten, gehen exzessiv Sport treiben oder bleiben drei Stunden länger an der Arbeit. 

Primäre maladaptive Emotionen

Leider gibt es primäre Emotionen, die früher einmal sinnvoll waren, weil es die einzigen möglichen waren, die wir haben konnten. Diese Emotionen fühlen sich auch sehr grundsätzlich und "tiefer" an, haben ebenso einen unmittelbaren Charakter, aber sie haben einen "alten" Geruch. Sie sind nicht mehr angepasst. Sie sind häufig schmerzhaft, führen zu keiner Erleichterung, zu keinen sinnvollen Handlungen mehr, versuchen "alte", nicht mehr aktuelle Bedürfnisse zu befriedigen. Das Umfeld reagiert spontan nicht mit Mitgefühl oder Verständnis, sondern mit Verwirrung und einer gewissen Ratlosigkeit. Solche primären Emotionen entstanden in der Vergangenheit, häufig in Situationen von grossem Stress, grosser Abhängigkeit (als Kind) und in Gefahr, Druck oder durch langanhaltende negative Umstände. Diese primären maladpativen Emotionen müssen ersetzt werden durch neue primäre, adaptivere Emotionen. Das ist eine der Hauptaufgaben der Emotionsfokussierten Psychotherapie.

Sekundäre Emotionen

Sekundäre Emotionen sind Emotionen, die auf primäre Emotionen reagieren. Deshalb sind sie sekundär. Das ist meine eigene emotionale Reaktion auf die primäre Emotion. Wenn ich zum Beispiel primär traurig bin, diese Traurigkeit aber nicht wahrnehme, dann entsteht automatisch eine sekundäre Emotion darauf. Man könnte auch formulieren, dass ich dann diese Traurigkeit in eine sekundäre Emotion umwandle. Die häufigste sekundäre Emotion ist (ungesunde) Wut oder abgeschwächt: Ärger.

Angenommen, ich freue mich, meine Partnerin zu sehen. Als ich nach Hause komme, sehe ich, dass meine Partnerin geistig völlig abwesend ist und mir keine Aufmerksamkeit schenkt. Ich drücke meine Freude gar nicht aus (primäre adaptive Emotion). Ich werde deswegen traurig (erneut eine primäre adaptive Emotion). Ich erkenne diese neue primäre Emotion nicht respektive nehme sie nicht wahr, denn darin steckt eine gewisse Verletzlichkeit. Diese Traurigkeit wandle ich hingegen um in eine sekundäre Emotion, des Ärgers zum Beispiel. Mit diesem Ärger sitze ich dann am Tisch und kritisiere meine Frau für irgend etwas, das sie gerade gesagt hat. Ich hätte ihr auch meine Traurigkeit mitteilen können (primäre Emotion), dass sie sich gar nicht mit mir gefreut hatte, als ich nach Hause kam. Denn ich hatte mich sehr gefreut (primäre Emotion).

Die häufigste sekundäre Emotion ist also Ärger oder (ungesunde) Wut, in all ihren Spielformen. Die "kalte" Version von sekundärer Wut ist Stolz, Sturheit, Schweigen, nichts sagen, sich zurückziehen, auf etwas bereits Gesagtem unnötig zurückkommen (widerrufen), zurückbellen, zynische Sprüche klopfen, zurückschreien, mauern, physisch zurückstossen, wortlos dem anderen eine runterhauen, zurückschlagen, Dinge kaputt machen, sich selber verletzen. Die "heisse" Version davon besteht aus kritisieren, nörgeln, beleidigen, angreifen, laut frustriert sein, protestieren, massiv beschuldigen, drohen, erniedrigen bis zu Handgreiflichkeiten und offener Gewalt.

Aber auch Angst oder Unsicherheit, Hoffnungslosigkeit (deprimierte Gefühle) können sekundäre Emotionen sein. Das ist immer nur im Einzelfall zu erkennen. Und stets ist es eine emotionale Reaktion auf ein primäres Gefühl.

Sekundäre Emotionen führen zu keinen guten Entscheidungen, unsere Mitmenschen reagieren oftmals selber mit sekundären Emotionen auf uns, sie kommen uns nicht näher, sondern wir stossen damit die Mitmenschen eher von uns weg. Sie verbergen unsere Verletzlichkeit, sie täuschen eher Echtheit vor als dass sie tatsächlich echt wären. Sie bleiben äusserlich, nicht innerlich.

Instrumentelle Emotionen

Instrumentelle Emotionen sind die unechtesten von allen. Sie dienen dazu, im Mitmenschen bestimmte Emotionen willkürlich oder absichtlich zu wecken. Sie haben etwas Manipulatives. Oftmals geschieht das unbewusst. Ich "klage" laut vor mich hin, um Aufmerksamkeit zu erheischen. Ich mache ein trauriges Gesicht, damit mich jemand fragt: "Ist etwas? Geht es dir nicht gut?" Ich drohe laut und klopfe mit der Faust auf den Tisch, weil ich möchte, dass mein Gegenüber sich beeindruckt zeigt und sich ein bisschen fürchtet. Wir tun das oft und recht oft tun wir das sehr subtil. Je erwachsener wir werden, desto subtiler ist der Einsatz von instrumentellen Emotionen. Je jünger und kindlicher wir noch sind, desto augenfälliger sind diese Emotionen und werden meist sofort von den Eltern durchschaut. Sie haben einen appelativen Zweck. Sie wollen etwas im anderen auslösen.

In einer Paarbeziehung sind instrumentelle Emotionen meist jene, die der Partner am wenigstens beachten wird, es sein denn, er merkt nicht, dass er (sie) damit manipuliert wird. Mit instrumentellen Emotionen wird häufig versucht, Streitigkeiten zu gewinnen oder oben auf zu schwingen, wenn es um Meinungsunterschieden geht.

 

 


 

 

 

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