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freundlichsein Urheber: de.123rf.com/profile_sabinezia|Standardlizenz erworben|Foto verändert durch Autor fmFreundlich sein und Selbstachtung - psychologisch-philosophische Betrachtung

In seinem Bestseller "Wer bin ich, und wenn ja, wieviele?" schrieb Richard David Precht**, dass viele Philosophen vor Kant die Notwendigkeit von Moral als Verpflichtung gegenüber Gott begründeten (p. 167). Kant selber aber, so Precht, löste die Frage der Moral von der Religion. Kants "Pointe" vom moralischen Gesetz im Menschen bestünde darin, dass der Mensch aus Selbstachtung moralisch handeln sollte, denn der Mensch solle "sich selber verpflichtet sein". Also beispielsweise freundlich sein als praktischer Ausdruck der Moral, weil es letztlich dem Menschen (mir selber) entspricht respektive meinem menschlichen Wesen. Und nicht etwa, weil es eine Verpflichtung darstellt gegenüber einem höheren Wesen .

Zwar räumt Precht ein, dass sich die Selbstachtung mit den Nöten der Selbstbehauptung kreuzt. Genau so wie die Selbstachtung ein wesentlicher Teil eines jeden Menschen ist, so ist auch die Selbstbehauptung ein wesentlicher Teil der menschlichen Natur. Wenn aus der Selbstachtung abgeleitet werden darf, dass ich zu anderen Menschen freundlich sein sollte, dann muss ich aus der Selbstbehauptung ableiten, dass ich anderen Menschen manchmal Grenzen setzen muss. Das eine verträgt sich dann nicht zur gleichen Zeit respektive in der gleichen Situation mit dem anderen.

Wertvoller Gedanke: Freundlich sein als Selbstachtung

Abgesehen aber von diesem Fall finde ich den Gedanken Kants (respektive Prechts) sehr wertvoll für die Gestaltung von zwischenmenschlichem Verhalten. Und damit auch für die Gestaltung von meinem Verhalten gegenüber anderen. Wenn "freundlich sein" als ein möglicher Ausdruck von moralisch richtigem Verhalten nicht metaphysisch zu begründen ist (ich wüsste nicht, wie man überhaupt etwas metaphysisch begründen kann), sondern vielmehr mit meiner menschlichen Natur zu tun hat, denn entsteht allenfalls eine neue Verpflichtung: Nämlich die Verpflichtung, freundlich zu sein gegenüber meinen Mitmenschen. Und wenn ich diese Verpflichtung ernst nehme, dann deshalb, weil ich meine menschliche Natur, in der moralisches Verhalten angegelegt ist, ernst nehme.

Freundliches Verhalten ist übrigens gemäss neuerer Hirnforschung deshalb in der menschlichen Natur angelegt, weil wir über die vom italienischen Hirnforscher Giacomo Rizzolatti 1992 entdeckten und so benannten Spiegelneuronen verfügen. Wir empfinden grundsätzlich das Gleiche, ob wir es nun an uns selber erleben (z.B. Schmerz) oder ob wir es einfach passiv nachvollziehen, zum Beispiel durch Beobachtung. Mitgefühl ist im Tierreich weit verbreitet. Und wir sind aus der Evolution des Lebens entstandene (Säuge-) Tiere.

Freundliches Verhalten hat mit Selbstachtung in dem Sinne zu tun, wie es eben zu unserer über die Evolution entwickelten menschlichen Natur gehört. Wenn die Notwendigkeit der Selbstbehauptung nicht gegeben ist, dann habe ich eigentlich stets die Möglicheit, freundlich zu sein oder zumindest einigermassen freundlich zu bleiben. Und zwar nicht, weil es meinen Mitmenschen (z.B. meiner Partnerin) so am besten geht. Sondern weil ich dadurch auch mich selber achte. "Es gibt kein 'moralisches Gesetz' im Menschen, wie Kant meinte, das ihn zum Gutsein verpflichtet. Aber moralisches Handeln ist entstanden, weil es sich oft für den Einzelnen und für seine Gruppe lohnt", so Precht (p. 176)

Ich finde diesen Gedanken sehr wertvoll. Gerade im Zusammenhang mit nahen und uns wichtigen Beziehungen. Bleiben Sie freundlich, so sind Sie am ehesten sich selber!

Literaturnachweis

** Richard David Precht (2007): "Wer bin ich und wenn ja, wie viele?" Goldmann Verlag

richarddavidprecht

 

 


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